Die Sammlung umfasst über 300 Laufmeter an Fachliteratur zu Afghanistan und den benachtbarten Gebieten. Dazu kommen verschiedene Spezialsammlungen und Nachlässe, die kartographisches Material, Archivalien sowie Bilddokumente beinhalten.
Die Bibliotheca Afghanica wurde 1974 auf Initiative des Schweizer Ehepaars Paul und Veronika Bucherer-Dietschi gegründet. Zu Beginn lag der Fokus auf Natur, Kultur und Geschichte Afghanistans. In den Jahren nach dem Einmarsch der Sowjetunion 1979 wurde die Sammlung um Informationen über den Krieg, die Entwicklung der sowjetischen Besetzung und den Widerstand der Bevölkerung erweitert. Darin lässt sich auch der Wandel von einem offenen, vom Sufismus geprägten Islam zum Jihadismus der Mudschahidin verfolgen.
2023 wurde die Bibliotheca Afghanica der Universitätsbibliothek Basel vermacht. Die weltweit einmalige Sammlung wird nun sukzessive in die Universitätsbibliothek integriert, fachgerecht archiviert und für Forschung und Öffentlichkeit nutzbar gemacht.
Die UB Basel und die Stiftung Bibliotheca Afghanica bedanken sich für die substantiellen Beiträge aus dem Swisslos-Fonds Basel-Stadt und von der Sulger-Stiftung, die der Einarbeitung der Bestände der Bibliotheca Afghanica dienen.
Einige Sammlungsschwerpunkte
Nachlass von Peter Lumsden zur Afghanischen Grenzkommission 1884/86
Die Grenzkommission von 1884/86 (Afghan Boundary Commission) war eine Unternehmung von Grossbritannien und dem Russischen Reich, die mit afghanischer Beteiligung die nordwestliche Grenze Afghanistans festlegte. General Peter Lumsden leitete die britische Delegation und war massgeblich an den Verhandlungen und der Festlegung des Grenzverlaufs beteiligt.
Materialien: Kartografisches Material, Fotografien, Archivalien, gedruckte Dokumente
Nachlass und Fotosammlung von Werner Otto von Hentig, Günther Voigt und Emil Rybitschka zur Dokumentation u.a. der Hentig-Niedermayer-Expedition von 1915
Die Hentig-Niedermayer-Expedition war eine deutsche diplomatische und militärische Mission nach Afghanistan im Jahr 1915. Ziel war es, afghanische Unterstützung gegen den Einfluss Grossbritanniens zu mobilisieren. Der bayrische Oberleutnant Oskar Niedermayer leitete die militärische Expedition, der preussische Diplomat Werner Otto von Hentig war zuständig für die diplomatische Mission. Emil Rybitschka war ein österreichischer Offizier, der aus russischer Kriegsgefangenschaft in Zentralasien nach Afghanistan geflohen war und sich der deutschen Mission anschloss, aber erst nach Kriegsende die Erlaubnis des Emirs erhielt, nach Österreich zurückzureisen.
Materialien: Fotografien, Diapositive, Archivmaterial, Drucksachen, Sondersammlungen (Poulaines)
Die deutsche Hindukusch-Expedition von 1935 unter der Leitung von Arnold Scheibe hatte zum Ziel, die Flora, Fauna und ethnische Vielfalt der Region zu erforschen. Die Expedition verfolgte sowohl wissenschaftliche Absichten als auch politisch-koloniale Interessen. Sie war technisch hervorragend ausgestattet, und die Bestände der Universitätsbibliothek enthalten entsprechend hochwertiges Bildmaterial.
Materialien: Glas-Diapositive, Abzüge, gedruckte Dokumente, Dokumentation
1940 nimmt Albert E. Engler ein Bild von Rudolf Stuckert auf: Mit einem afghanischen Windhund steht er vor der Tür des gemeinsamen Hauses in Kabul, an der Haustür direkt hinter ihm ist ein liebevoll hingepinselter Baselstab zu sehen. Dieses Foto führt uns die Bedeutung von Vernetzungsgeschichte geradezu bildhaft vor Augen. Die fotografischen Nachlässe der drei Schweizer Architekten und Fotografen Alfred E. Engler, Rudolf Stuckert und Alf de Spindler dokumentieren umfassend den Alltag und das Arbeitsleben dreier Schweizer zur Zeit des 2. Weltkrieges in Afghanistan, einem zu dieser Zeit stark isolierten Land mit sehr wenigen Ausländer*innen. Gleichzeitig stellen die drei Sammlungen einen weltweit einmaligen Referenz-Bestand dar, der für Fragen der Architekturgeschichte, der Stadt- und Landesentwicklung und der Demographie sowie für viele sozialwissenschaftliche Fragestellungen von unschätzbarem Wert ist.
Dank einer Unterstützung der Stiftung Memoriav, die sich für den Erhalt des audiovisuellen Kulturguts der Schweiz einsetzt, werden die drei Nachlässe zurzeit digitalisiert und die reichhaltigen Metadaten, die eine umfassende Einordnung und Verortung der Fotografien ermöglichen, zugänglich gemacht.
Urlaubsbilder der Familie de Spindler aus Afghanistan, 1940er Jahre
Im Zeitraum von 1972 bis 1978 reisten Edwin Huwyler und Iren von Moos drei Mal ins Munjan-Tal, um im Rahmen ethnologischer Forschungen Alltag und Arbeitsstrukturen der ismailitischen Bevölkerung zu dokumentieren. In Obwalden in der Schweiz geboren, kannten sie das Leben in unzugänglichen Gebirgsregionen selbst sehr gut. Jeder der drei Aufenthalte im Munjan-Tal dauerte zwischen drei und fünf Monaten, wobei sie enge Beziehungen zu lokalen Familien knüpften.
Bedingt durch den Einmarsch der Sowjetunion und die darauffolgenden Kämpfe, konnten sie bald darauf nicht mehr ins Munjan-Tal reisen. Es folgten drei weitere Forschungsaufenthalte – wieder jeweils für einige Monate – in Nuristan zwischen 1979 und 1984, wobei sie illegal nach Afghanistan einreisten.
In den frühen 1980er Jahren sah sich fast die gesamte ismailitische Bevölkerung des Munjantales zur Flucht gezwungen. Die Aufzeichnungen und Fotografien von Edwin Huwyler und Iren von Moos dokumentieren somit eine spezifische Lebensweise und einen Lebensraum, die in dieser Form kurz nach ihrem letzten Forschungsaufenthalt nicht mehr existierte. Die während der Feldforschung entstandenen Dokumente gehören zu den ganz wenigen Zeugnissen dieses abgeschiedenen Tales, dessen Ortschaften meist über 3000 Meter Seehöhe liegen und das im Süden von über 6000 Meter hohen Bergen abgeschlossen wird. Die Fotos, Tondokumente und Feldaufzeichnungen sind nebst ihrer Thematik auch in ihrem Umfang eine für die Forschung einzigartige Quelle.
Die Bibliotheca Afghanica umfasst einen mehrteiligen Sammlungsschwerpunkt, der das Milieu des afghanischen Widerstands gegen die sowjetische Besetzung dokumentiert. Dazu gehören ca. 22 laufende Meter kleinerer Publikationen (Traktate, Pamphlete, Zeitungen und Zeitschriften) sowie mehrere Serien hochwertiger lithographischer Plakate, die direkt ab den Druckerpressen des afghanischen Widerstands im pakistanischen Exil in die Bestände der Bibliotheca Afghanica gelangten. Desweiteren umfasst der Bestand Wandkalender, Wandzeitungen, mehrere Serien propagandistisch aufbereiteter Streichholzschachteln, Pins, Fingerringe, Aufkleber und weitere Materialien.
Materialien: Einzelblattdrucke, Lithographien, Broschüren, etc.
In den Beständen der Bibliotheca Afghanica befinden sich mehrere Sammlungen von Schulbüchern, unter anderem die ersten mit aufwändigen Farbillustrationen versehenen Schulfibeln für Paschtu und Dari aus den 1950er Jahren, sowie weitgehend vollständige Sets an Unterrichtsmaterialien der verschiedenen Widerstandgruppierungen aus den 1980er Jahren.