Auf der Suche nach dem «roten Fritz»
Eine Ausstellung der Professur für Osteuropäische Geschichte an der Universität Basel nahm die Biografie und Auseinandersetzung mit Fritz Platten (1883–1942) in der Schweiz und der Sowjetunion in den Blick. Den Besucher*innen wurden bislang unbekannte Objekte aus Schweizer und russischen Archiven präsentiert.
Der Schweizer Sozialist und Kommunist Fritz Platten ist eine der umstrittensten politischen Figuren der Schweizer Geschichte im 20. Jahrhundert: Für die einen ist er eine Legende, andere sehen in ihm einen verblendeten Anhänger Lenins und Stalins. Dass die Figur Fritz Plattens bis heute aktuell ist und polarisiert, zeigte unter anderem das grosse Medienecho (Radio SRF, BAZ, Tagesanzeiger, Gewerkschaftszeitungen u.a.). Den Ausstellungsmacher*innen ist es gelungen, eine differenzierte und fundiert recherchierte Ausstellung zu präsentieren, die Fritz Platten kein Denkmal setzt, sondern sich kritisch mit ihm und der Geschichte des Schweizer Kommunismus auseinandersetzt.
Kuratiert wurde die Ausstellung von Rhea Rieben und F. Benjamin Schenk unter Mitwirkung von Anne Hasselmann und den Studierenden des Departements Geschichte, Aline Corpataux, Basil Haag, Stefan Heinen, Judit Pechr, Katarina Penčić, Nando Quagliati, Simona Schraner, Roger Stettler und Laura Verni. Das Projekt der Professur für Osteuropäische Geschichte der Universität Basel entstand in Zusammenarbeit mit dem Szenografiebüro Groenlandbasel und dem Atelier Degen+Meili. Finanziert wurde es vom Schweizerischen Nationalfonds (Förderlinie «Agora»), der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft und der Stiftung für Sozialgeschichte Osteuropas. Den Besucher*innen wurden bislang unbekannte Objekte aus Schweizer und russischen Archiven präsentiert. Ein besonderes Highlight war ein sowjetischer Dokumentarfilm von 1979, der Fritz Platten zu einem Revolutionshelden stilisiert.
Ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm begleitete die Ausstellung. Nebst Vernissage fanden zwei Themenabende an der UB Basel statt. Diskutiert wurden Grenzen und Möglichkeiten verschiedener Formate der «Public History» am Beispiel der Medien Film und Ausstellung sowie Biografien von Schweizer Frauen, die in Stalins Sowjetunion auswanderten. Eingeladen waren die Regisseurin Helen Stehli Pfister, die Historikerinnen Rhea Rieben und Fenja Läser sowie die Literaturwissenschaftlerin Beatrice Schmid. Wer sich darüber hinaus vertieft mit den Themen der Ausstellung auseinandersetzen wollte, konnte die Vorlesungsreihe «‹Rote Hoffnung› und ‹Rote Gefahr›. Die Schweiz, Russland und der Kommunismus im 20. Jahrhundert» besuchen. Sie entstand in Kooperation mit der Volkshochschule beider Basel.
«Auf der Suche nach Fritz Platten. Die Schweiz und der Kommunismus im 20. Jahrhundert»
Wer war Fritz Platten? Diese Frage beschäftigte Fritz Nicolaus Platten (1918–2004) ein Leben lang. Er war der Sohn des berühmten Schweizer Kommunisten Fritz Platten (1883–1942). Sein Vater war bereits zu Lebzeiten eine Legende, schliesslich hatte er im April 1917 Lenins Fahrt im «plombierten Zug» organisiert. 1923 wanderte Fritz Platten in die Sowjetunion aus und liess seinen vierjährigen Sohn bei Pflegeeltern in Zürich zurück. Während Stalins «Grossem Terror» wurde er verhaftet und zu vier Jahren Straflager verurteilt. Seitdem galt er als «verschollen». Nach dem Krieg begann Fritz Nicolaus Platten nach seinem Vater zu forschen. Die Ausstellung begleitet den Sohn auf seiner Suche. In ihr spiegelt sich die wechselvolle Geschichte der Schweiz und der UdSSR im kurzen 20. Jahrhundert.
An sechs Abenden führten Expert*innen des Fachs die Teilnehmer*innen in die wechselvolle Geschichte der Schweiz zu Russland bzw. der Sowjetunion und zum Verhältnis der Schweiz zum Kommunismus ein. Zuletzt kam es auch zu einer Kooperation mit Schüler*innen der Rudolf-Steiner-Schulen Basel und Birseck, die mit der Ausstellung in einen Dialog traten.
Text: Rhea Rieben; Foto: Gregor Brändli