«Es ging ihr stets um die Sache, nicht um persönlichen Ruhm»

Die Basler Literaturwissenschaftlerin Martina Kuoni hat gemeinsam mit dem Verleger und Nachlassverwalter Manfred Metzner die UB-Ausstellung über die Künstlerin Ré Soupault (1901–1996) kuratiert.

Martina Kuoni

Martina Kuoni, was hat Sie an Ré Soupault besonders fasziniert?
Martina Kuoni: Die Künstlerin hat sich über Jahrzehnte immer wieder neuen Aufgaben gestellt. Oft waren es die Lebensumstände, die sie dazu zwangen. Sie arbeitete in den Bereichen Experimentalfilm, Mode, Fotografie, Journalismus, Übersetzung und verfasste in den letzten 30 Jahren ihres Lebens unzählige Radiobeiträge. Trotz ihrer grossen Leistungen gerade im Bereich der Fotografie wie der Übersetzung ist sie immer bescheiden geblieben. Es ging ihr stets um die Sache, nicht um persönlichen Ruhm.

Ré Soupault lebte und arbeitete in verschiedenen Weltregionen. 1948 kam sie nach Basel. Wie kam es dazu?
Ré und ihr Ehemann Philippe Soupault mussten während des zweiten Weltkriegs aus Tunis flüchten, wo sie für die französische Volksfront-Regierung eine antifaschistische Radiostation aufgebaut hatten. Nach turbulenten Jahren in Nord- und Südamerika kehrte Ré Soupault allein nach Europa zurück. Dank ihrer Freunde Lisa Tetzner und Kurt Kläber bekam sie von der Büchergilde Gutenberg in Zürich den Auftrag, Romain Rollands Kriegstagebücher ins Deutsche zu übersetzen. Diese liegen im Original in der Universitätsbibliothek. So kam sie nach Basel.

Richtig heimisch fühlte sie sich hier nicht.
In den zehn Jahren, die sie mit Unterbrüchen in Basel lebte, hatte sie mit grossen materiellen Nöten zu kämpfen und erlebte eine persönliche Krise. Der Zugang zu Stadtbewohner*innen war schwierig, als alleinstehende Frau und auch aufgrund der Sprache. Die Mentalität der wohlhabenden, vom Krieg verschonten Schweizer*innen irritierte sie. Umso bereichernder erlebte sie die Begegnung mit Karl Jaspers, der damals an der Universität Basel lehrte. Sie studierte bei ihm Philosophie und befreundete sich mit dem Ehepaar Jaspers.

Die Ausstellung zeigt eindrücklich, wie sich Soupault immer wieder neu erfand. Selbst oder gerade in diesen schwierigen Jahren.
In Basel begann Ré mit Erfolg als Übersetzerin zu arbeiten. Nach Romain Rollands Journal übersetzte sie unter anderem Texte der französischen Surrealisten, etwa Lautréamonts Die Gesänge des Maldoror, die bis dahin als unübersetzbar galten. Mit grossem Einsatz suchte sie Kontakt zu verschiedenen Rundfunksendern. So fuhr sie auf dem Vélosolex (!) von Basel aus nach Stuttgart oder München. Auch mit dem Radiostudio Basel ergab sich eine intensive Zusammenarbeit. Es erfordert besonderen Wagemut, an so vielen Orten auf der Welt immer wieder neu anzufangen.

Weitere Infos unter www.literaturspur.ch
Bild oben links: Martina Kuoni © fotomtina Solothurner Literaturtage; Bild unten rechts: Ré Soupault, Tunesien, 1939 © Manfred Metzner

Ré Soupault

«Ré Soupault – ‹Es war höchste Zeit …›. Eine Avantgardekünstlerin in Basel»

Ré Soupault (1901–1996), als Meta Erna Niemeyer in Pommern geboren, erfindet sich in ihrem Leben mehr als einmal neu. Die Bauhaus-Schülerin wird Teil der Avantgarde in Berlin, Mode-Designerin in Paris, Fotografin in Tunis, Journalistin in New York – und nach Jahren des Exils Übersetzerin und Radioessayistin in Basel und Paris. In ihrem Leben spiegeln sich exemplarisch die Schwierigkeiten einer nach Unabhängigkeit strebenden Frau im 20. Jahrhundert, ebenso wie die politischen Verwerfungen der Epoche. Die Ausstellung folgt den zentralen Bereichen von Ré Soupaults Leben und Schaffen. Ein Hauptgewicht wird auf die Lebensumstände ihrer Basler Jahre von 1948 bis 1958 gelegt. Eine besondere Rolle spielte dabei die Universitätsbibliothek als Aufbewahrungsort wertvoller Manuskripte von Romain Rolland.